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Okuli

Grausam schön

Sie sehen aus wie lila gefärbte Eier. Etwas kleiner und etwas runder. Beim Öffnen überraschen sie durch ihr Inneres: Die lilafarbene Schale versteckt das knallige Gelborange, das die Samen umhüllt. Maracuja. Auch bekannt als Passionsfrucht. Ihr Name leitet sich nicht von gefärbten Ostereiern ab, sondern vom Aussehen ihrer Blüte.

Die Passionsblüte erinnert mit ihren verschiedenen Bestandteilen an die Passion Christi.
Da sind die zehn weißen Blütenblätter: Zehn Jünger waren es noch, nach dem Verrat Judas und nach der Verleugnung durch Petrus.
Über den weißen Blütenblättern der sogenannte Strahlenkranz – diese lila-weißen Fäden erinnern an die Dornenkrone, die Jesus aufgesetzt wurde, um ihn anzuklagen und lächerlich zu machen.
Darüber fünf gelbe Staubblätter. Sie stehen für die fünf Wunden Christi: Den Lanzenstich an der Seite, die durchbohrten Hände und Füße.
Durchbohrt von drei rostigen Nägeln, wie die rotbraunen Griffel, die zuoberst auf der Blüte sitzen.

Mich verwundert, dass eine so schöne Blüte für etwas so grausames wie den Tod am Kreuz stehen kann. Doch im Kreuzestod Christi sind die Gegensätze enger beieinander, als es auf den ersten Blick scheint. Das grausame Bild vom leidenden Christus am Kreuz ist zugleich das Bild von der Erlösung der Menschheit. Eine wunderschöne Blüte mit einer grausamen Symbolik.

– Charlotte Reetz von Kügelgen, Vikarin in Uchte