Schweißüberströmt laufe ich den Berg in Kerala hoch. Es ist heiß - sehr heiß. Die Sonne sticht. Ich ächze. Aber der Ausblick entschädigt alles. Stück für Stück kriechen wir durch den Wald von Palmen und dann liegt wieder eine Meeresbucht vor uns.
Aber wir sind nicht allein.
Plötzlich nährt sich ein riesiges Holzkreuz. Es wird von einer kleinen Gruppe den Berg hochgeschleppt. Und da noch eins. Viele massive Holzkreuze getragen von Menschen. Sie sind über 4 m lang und alle überholen sie uns.
Der Kreuzweg in Kerala in Indien will hier und heute wahrhaftig gespürt werden.
Ich muss unwillkürlich an die Bilder denken, wie auch manche Schiiten sich die Gewänder zerreißen, wenn sich wieder der Tag des Todes vom Propheten Ali jährt. Sie klagen und weinen. Denn die Wunden sind nicht verheilt. Schiiten sind häufig in vielen Ländern die Minderheit, so wie die Christ*innen es auch in Indien sind. Beide Minderheiten werden verschiedentlich unterdrückt, was sie an solchen Tagen körperlich verarbeiten. Sie gehen nach außen, bekennen sich zu ihrem Glauben und machen den Schmerz, den Prophet Ali und Jesus Christus gespürt haben, zu ihrem Schmerz.
Ich finde es beeindruckend, dass sie ihrer Trauer und ihrem Leid nicht mit Ohnmacht begegnen. Ich komme nicht umhin mich zu fragen, ob wir uns davon nicht eine Scheibe abschneiden sollten: Öffentliches Trauern um Jesus Christus und um die Welt ohne Hemmungen.
Passion ist mehr als ein blutleeres Ritual.
Um es mit Dorothee Sölles Worten zu sagen: „Jeden Tag habe ich Angst, dass Jesus Christus umsonst gestorben ist, weil er in unseren Kirchen verscharrt ist, weil wir seine Revolution verraten haben.“
– Annika Landt • Vikarin in Dransfeld –